Cyber-physische Systeme (CPS) sind Zusammenschlüsse von vernetzten mechanischen und elektronischen Komponenten mit Steuerungs- und Monitoring- Algorithmen. Die Anwendungsfelder solcher Systeme sind zahlreich und umfassen zum Beispiel IT-Verkehrssteuerungs- und Verkehrslogistiksysteme, Informations- und Energienetzwerke sowie industrielle Prozesssteuerungs- und Automationssysteme.

Anwendungen in diesen Bereichen sind durch stetige Veränderung von Rahmenbedingungen, Zielvorgaben und inneren Strukturen gekennzeichnet. Die Steuerung von Fertigungssystemen etwa muss zur Erreichung eines möglichst optimalen Systemverhaltens ständig auf eventuell auftretende Störungen reagieren und jeweils neue Lösungen generieren.

Um trotz dieser Dynamik ein optimiertes Zielverhalten zu erreichen, sind CPS mit einer flexiblen Struktur ausgestattet. „Flexible cyber-physische Systeme unterliegen einer stetigen Rekonfiguration, um ein Gesamtverhalten zu optimieren“, erklärt Gerhard Friedrich vom Institut für Artificial Intelligence und Cybersecurity an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Konfiguration für cyber-physische Systeme

Die erfolgreichsten Techniken zur Konfiguration und Rekonfiguration von technischen Systemen basieren auf Methoden der Wissensverarbeitung mit semantischen Systemen. Mit Hilfe dieser Methoden der Künstlichen Intelligenz werden die technischen Möglichkeiten eines Systems formal beschrieben und durch logische Schlussfolgerungs- und Suchverfahren optimierte Systemzustände erzeugt. „Für cyber-physische Systeme gab es bislang eine solche wissensbasierte (Re)Konfiguration nicht. Bei der Rekonfiguration von Systemen ändern sich meist nur kleine Teile. Wir machen uns diese Eigenschaft zunutze, indem wir Wissen, das während einer bestimmten Konfigurationsaufgabe gewonnen wurde, verallgemeinern und wiederverwenden“, so Professor Friedrich weiter.

Dass dies nun anders ist, dafür hat das Forschungsprojekt DynaCon (Dynamic knowledge-based (re)configuration of cyber-physical systems), das unter der Leitung der Universität Klagenfurt fünf weitere Partner aus Industrie und akademischer Forschung vereinte, gesorgt. DynaCon verfolgte über die Projektlaufzeit von drei Jahren das Ziel, die verfügbaren Techniken der wissensbasierten (Re)Konfiguration so voranzutreiben, dass eine breite Anwendung für CPS ermöglicht wird.

Dynamisierungs- und Effizienzschub durch Forschungsprojekt DynaCon

Erreicht wurde das unter anderem, indem logikbasierte Schlussfolgerungssysteme in der Form erweitert wurden, dass nun auf Basis von Datenströmen Entscheidungen abgeleitet werden können. „Damit haben wir die angestrebte Dynamisierung erreicht. Der Input in das Konfigurationssystem ist nicht mehr statisch festgelegt, sondern umfasst kontinuierlich den Zustand der aktuellen Konfiguration, die Aktionen des CPS und die Zielvorgaben der Betreiber. Die Änderungen dieser Umweltbedingungen werden nach Relevanz gefiltert, sodass unnötige Rekonfigurationen vermieden werden“, erklärt Andreas Falkner von der Forschungsabteilung Technology, der die DynaCon-Aktivitäten seitens Siemens Österreich leitete. Aus dem Projekt – gefördert vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie bzw. der Forschungsförderungsgesellschaft – sind einige Erfindungsmeldungen und Patenteinreichungen hervorgegangen.

„Auch die Effizienz der vorhandenen Schlussverfahren haben wir signifikant gesteigert, indem wir nur jene Teile einer Wissensbasis verwenden, die aktuell für eine konkrete Problemstellung benötigt werden. Zusätzlich wurde die Lösungssuche durch anpassbare Heuristiken verbessert. Dadurch können Problemstellungen einer automatisierten Lösung zugeführt werden, die mit bisherigen Technologien praktisch unlösbar waren“, hebt Falkner eine große Herausforderung, die in diesem Projekt gemeistert werden konnte, hervor.

Die Forschungsgruppe Konfigurationstechnologien von Technology Siemens Österreich, in der Falkner tätig ist, hat eine langjährige Expertise im Bereich symbolische Künstliche-Intelligenz-Methoden zur Konfiguration komplexer Produkte und Systeme. Sie unterstützt interne Geschäftsbereiche weltweit und war schon an vielen Forschungsprojekten, u.a. auch zur Konfiguration der Produktion oder zu cyber-physischen Produktionssystemen, beteiligt.

Einen weiteren positiven Aspekt, der durch DynaCon erreicht werden konnte, hebt Professor Thomas Eiter, Vorstand des Instituts für Logic and Computation der TU Wien, hervor: „Der gewählte flexible Lösungsansatz eröffnet nicht nur Möglichkeiten für die Diagnose des Verhaltens und für Erklärungen auf Basis der zugrundeliegenden Modelle, sondern auch zur erweiterten Simulation und zu Schlussfolgerungen aus hypothetischen Szenarien. Wir haben gesehen, dass diese Dynamisierung und die Modularisierung jener Programme, welche die Datenströme laufend überwachen, für eine situationsgerechtere Anpassung der Steuerung hilfreich ist.“

Cyber-physische Produktionssysteme passen sich automatisch an

Die im Rahmen von DynaCon entwickelten Erweiterungen, neuen Algorithmen und Prototypen, die zu einer Verbesserung durch automatisierte (Re)Konfiguration führen, wurden in insgesamt fünf praktischen Problembereichen angewendet. An zwei davon war Siemens Österreich – auch in Form von Dissertationen – beteiligt, nämlich optimierte Ampelsteuerungen im Straßenverkehr (Cooperative Intelligent Transportation Systems) und Cyber-Physical Production Systems.

In der Industrie 4.0 werden Produktionsaufträge mit geringen Stückzahlen dynamisch Maschinen zugewiesen. Dabei können Produktionsaufträge oft nicht vorausgeplant werden und Maschinen können ausfallen oder hinzugefügt werden. Mit den in DynaCon entwickelten Lösungen konfigurieren sich cyber-physische Produktionssysteme nach geplanten oder unvorhergesehenen Veränderungen automatisch neu und passen im Fall von Störungen die Produktionspläne automatisch an.